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logo 43 • das CAMLOG Partner-Magazin • Dezember 2018 logo 43 • das CAMLOG Partner-Magazin • Dezember 2018 LIFESTYLE 51 Jan Peters Schriftsteller, Kaiseraugst/Schweiz stellen; Sie outen sich sonst als Frankfurt- Greenhorn, das hier keiner für voll nimmt! Fresstempel fürs Volk Wer in Frankfurt isst, muss Grie’ Soß ken- nen, die aus neun frischen Kräutern be- steht. Wer sie selbst machen will, geht in die Kleinmarkthalle – Frankfurts bestes Restaurant gemäß Wolfram Siebeck. Best Flaaschworscht in town gibt´s dort bei Frau Schreiber. Auf dem Balkon kann man Wein trinken und von oben zusehen, wo und wie versierte Frankfurter Hausfrauen Lebensmittel einkaufen. Unvergessen die Anpreisung des Bauern, der orthografisch alles auf eine Karte gesetzt hatte: „Heute frische Oberschienen“. Dieser Anbauver- such wurde gesponsort vom Frankfurter Verkehrsverbund. Who’s who des Shoppings Wo wir gerade vom Einkaufen sprechen: Wer sehen will, wo man einkauft, wenn man im Vordertaunus oder in Bad Hom- burg residiert – natürlich käme auch der hippe neue Henninger-Turm mit seinen Unterkünften infrage – sollte auf die Goe- thestraße gehen. Jede Wette, dass Sie noch nie so viele vorsätzlich regelwidrig geparkte Aston-Martin, Panamera und Maranello-Kreationen pro Quadratmeter gesehen haben wie dort! Ohne Häme: Das Angebot hier hält locker mit der 5th Ave- nue und den Galeries Lafayette mit. Die Budgets der arabisch-chinesischen Kund- schaft auch. Shopping für diejenigen, die im mittleren Einkommenssegment zuhau- se sind, ist auf der Zeil beliebt; z. B. im My Zeil mit Mode, Technik und allem mögli- chen Schnickschnack, den keiner braucht, aber jeder will. Auf halbem Weg zwischen Hauptwache und Konstablerwache gabs mal das Kaufhaus Schneider, das dadurch berühmt wurde, dass dort am 2. April 1968 eine gewisse Gudrun Ensslin und Andreas Baader Feuer legten. Von diesen beiden haben Sie sicher schon mal gehört. Dialektik der Aufklärung Es ist aber nicht die Legende der Politro- cker Bonnie & Clyde und ihrer Brandstif- tungen, sondern die Geschichte der Kri- tischen Theorie, der man noch heute im Westen Frankfurts nachspüren kann. Die hauptsächlichen Protagonisten dieser im Institut für Sozialforschung schräg gegen- über der paläontologisch bärenstarken Senckenbergischen Naturforschenden Ge- sellschaft entstandenen Denkschule waren die Herren Adorno & Horkheimer (von der aufrührerischen Frankfurter APO als die Marx Brothers bezeichnet). Auf dem al- ten Bockenheimer Campus kann man im Hauptgebäude der Goethe-Universität noch immer einen Blick in den legendär- en Hörsaal VI riskieren – hier dozierte einst Theodor W. Adorno und entwickelte seine Theorie, die einiges an 68er-Sprengkraft in die Gesellschaft trug. Hier hörte auch ein talentierter Adorno-Schüler namens Hans- Jürgen Krahl, Chefagitator des Frankfurter Sozialistischen Deutschen Studentenbun- des, den sie wegen seines demagogischen Redetalents Robespierre von Bockenheim nannten. Dieser Feuerkopf, dem der auch nicht gerade auf den Mund gefallene Rudi Dutschke rhetorisch nicht das Wasser rei- chen konnte, war maßgeblich an der An- zettelung der Lebenstragödie seines aka- demischen Lehrers Adorno beteiligt, der die fatale Kollision der Kritischen Theorie mit der studentenbewegten Praxis in die Worte fasste: „Ich habe ein theoretisches Denkmodell aufgestellt. Wie konnte ich ahnen, dass Leute es mit Molotowcocktails verwirklichen wollen.“ Heimstatt der Heimatlosen An der Bockenheimer Warte existiert seit Anfang der 70er-Jahre eine anarchistische Destille namens Doctor Flotte, Treffpunkt einer seltsamen Lost generation. Nach ei- nem Pächterwechsel im September 2012 schrieb die Frankfurter Rundschau über diese außergewöhnliche Mischung: „An der Theke hängen auch schon wieder die alten Gestalten, die das Doctor Flotte so einmalig machen. Seit jeher kämpfen hier Adorno und Averna um die Vorherrschaft. Das Doctor Flotte ist Hochburg des Geistes, Profitrinkertränke und Eintrachtgaststätte in einem. Hierhin flüchtete sich die Titanic- Redaktion, wenn in den Redaktionsräu- men in der nahen Sophienstraße Arbeit drohte. Hier versoffen tausende Studenten ihr Bafög, bevor sie ins IG-Farben-Excel- lenzcluster gescheucht wurden. Hier stieg die Eintracht ab und auf.“ Das vor Jahr und Tag von der Obrigkeit verhängte Rauchver- bot in öffentlichen Schankräumen wurde von Flottes Thekenbesatzung mit Hohn und Spott überschüttet und konsequent ignoriert – hier wird bis heute gequarzt! Im Juli 1975 saß der Verfasser dieses Ar- tikels als junger Student im Doctor Flotte und vernichtete, mit einigen Kommilito- nInnen in heftige wissenschaftliche Dispu- tationen verwickelt, diverse erfrischende Bierchen. Die Sonne schien in das Lokal und er war gerade zu dem Schluss gelangt, dass die Welt trotz all ihrer Fährnisse ein ganz passabler Ort sein könnte. Plötzlich spürte er, wie etwas zärtlich um seine Bei- ne strich und sich leise schnurrend in sein Leben zu schieben begann. In der skurri- len Kaschemme namens Doctor Flotte, an der Bockenheimer Warte, in Frankfurt am Main,der alten Freien Reichsstadt,die sehr viel Raum für sehr viel Verschiedenes lässt, beugte sich der noch etwas schüchterne Herr Studiosus unter den zum Wirtshaus- tisch umfunktionierten klapprigen Näh- maschinentisch und sah in die funkelnden Augen einer stolzen Wildkatze, die ihn an- blickte, freundlich „miau“ sagte – und sich auf seinen Fuß legte, um ihn zu wärmen. Und als er sie sanft fragte: „Wie heißt Du denn, meine Hübsche?“, überlegte sie nur kurz, hob selbstbewusst ihr Haupt und schnurrte abgründig verlockend: „Frank- furt, mein Junge – ich heiße Frankfurt am Main.“ LIFESTYLE 50 FRANKFURT AM MAIN HAMMER-METROPOLE FÜR FORTGESCHRITTENE Der Verfasser der folgenden Zeilen verbrachte zwölf spannende Jahre seines Lebens in der Mainmetropole. Insofern ist er kein von Frankfurt unbeschriebenes Blatt und alles andere als neutral. Aber war Romeo neutral, als er sich seiner Julia erklärte? Wissen Sie, was Oliven und Frankfurt ge- meinsam haben? Beide sind nichts für An- fänger – sowohl die südländischen Früchte als auch das partiell chaotische bundesre- publikanische Verkehrs- und Finanzzen- trum liebt oder hasst man. Hier nun ein sehr selektiver Besucherleitfaden für die Mainmetropole, der keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Auf subjektiv ehrliche Gefühlslage dagegen schon. The wild side of life Dass Frankfurt keine Stadt ist, die Ge- döns liebt, sondern schnörkellos zur Sa- che kommt, merken diejenigen Besucher, die es direkt aus dem Hauptbahnhof in Richtung Kaiser-, Mosel- und Elbestraße spült. Hier tobt sich Multikulti ungeniert aus: buntes Treiben jeder Art, Unmengen kleiner Geschäfte und Restaurants aus al- ler Herren Länder. Unbedingt: bemerkens- werte Dorade für lumpige 9 Euro in Alims Fischimbiss ordern; achten Sie auf den Fisch auf Ihrem Teller, nicht auf die Räum- lichkeiten. Falls Sie heiße Investmenttipps brauchen, hier können Sie mittags massen- haft Citybanker treffen. Nachts sollten Sie dem Bahnhofsviertel besser fernbleiben; dann wird´s hier nämlich richtig hardcore. Hibbdebach das Geld Nördlich des Mains, in Frankfurt hibbde- bach genannt, zeigt die wuchernde Skyline klar und deutlich, wer hier an den Schalt- hebeln sitzt. Herrlichen Blick auf Mainhat- tans Skyline gibt´s – am besten nach einer ausgedehnten Tour am Museumsufer – beim Besuch der Lokalität des Frankfurter Rudervereins nahe der Friedensbrücke. Es- sen gutbürgerlich, Preise bürgerlich. Oder ein Stück weiter flussaufwärts: vom Hafen- lokal Oosten nahe der Europäischen Zent- ralbank an der Weseler Werft: prachtvolle Sicht auf Downtown Frankfurt. Motto: Aus der Ferne sieht man manches klarer. Dribbdebach die Kultur Südlich des Mains, eben dribbdebach, gibt´s Kultur satt am Museumsufer, das sage und schreibe 15 Museen unmittelbar am Main umfasst. Dass man hier unbedingt ins Stä- delsche Kunstinstitut gehen sollte, will man nicht als kultureller Blindgänger gelten, das weiß ja schließlich jeder. Dass es an dieser Kulturmeile aber noch sehr viel mehr Se- henswertes gibt, bleibt eigenem Entdecker- geist vorbehalten. Wir sagen abschließend: Deutsches Filmmuseum, Liebighaus und so weiter und so fort. Im Hinblick auf die lan- ge und differenzierte jüdische Geschichte und Kultur in Frankfurt empfiehlt sich be- sonders ein Besuch des Jüdischen Muse- ums im Rothschild-Palais hibbdebach am Untermainkai 14/15. Erbarme, die Hesse komme! Wer sich Äbbelwoi hinter die Binde kippen will, den ziehts unweigerlich gen Sach- senhausen: „Fraa Wirtin, noch en Bem- pel, gelle?“ Aber nicht ins Zentrum des Amüsierviertels, wo sich an Wochenenden Horden kreischender Noch-Junggesellen/ innen aus Vogelsberg und Wetterau auf´s Grauenvollste die Kante geben, den Touris kurzgebratene Rouladen als Rumpsteaks zu Filetpreisen andreht werden und man beim Anblick der an Tischständern vor sich hin welkenden Laugenbrezeln der Vergänglichkeit des Lebens gewahr wird. Wenn schon Äbbelwoi, dann zu den 3 Steubern in der Dreieichstraße. Aber subi- to, denn der Wirt geht auf die neunzig zu, und Nachfolger sind nicht in Sicht. Hand- käs’ flambiert, die gentrifizierte Ausfüh- rung der urhessischen Spezialität, gibt’s bei Schuch’s in Alt Bornheim. Und sagen Sie nie Äppler, wenn Sie einen Schoppen be-
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