Sonderdruck Dental Magazin 2021

DEUTSCHER ÄRZTEVERLAG | DENTAL MAGAZIN | 2021, 39(2) | 3 zur Deckung von Rezessionen an Zähnen im Rahmen von parodontalchi- rurgischen Eingriffen. Rekonstruktive dermale Gewebematrizes per se sind nichts Neues. Was hat sich da getan? SCULEAN: Die Unterschiede liegen in der Verarbeitung: Einige werden bearbeitet, sind chemisch quervernetzt, bei anderen wird die natürliche Struktur der Dermis erhalten. Dann gibt es dehydrierte und hydrierte Matrizes etc. Aber biokompatibel und gewebeverträg- lich sind praktisch alle. Welche bevorzugen Sie? SCULEAN: Das ist indikationsabhängig. Fakt aber ist: Hydrierte Bindegewebs- ersatzmaterialien lassen sich leichter verarbeiten, die Handhabung ähnelt der des autologen Gewebes vom Gaumen. Das ist für den Kliniker enorm wichtig, um die Matrix im Praxisalltag unkompliziert nutzen zu können. Ist das denn ein Problem? SCULEAN : Durchaus, einige Matrizes lassen sich kaum vernähen. Sie zerbröckeln, obwohl sie biokompatibel sind. Werden neue rekonstruktive Gewebematrizes Bindegewebstrans- plantate ersetzen können? SCULEAN: Das ist unser Ziel, daran arbeiten wir und andere Gruppen seit Jahrzehnten. Noch haben wir dieses Ziel nicht erreicht, aber es geht voran. Mit einer zum Defekt passenden Matrix lässt sich heute in bestimmten Fällen durchaus das Gleiche erreichen wie mit einem autologen Bindegewebstrans- plantat. Bei welchen Indikationen? SCULEAN: Zum Beispiel bei einer Rezessionsdeckung im Oberkiefer. Erfolgreich ist auch die Kombination von Matrix und Bindegewebstransplantat, wenn manchmal sehr viel Weichgewebe gebraucht wird. Das ist weniger invasiv, weil dann keine zweite Wunde am Gau- men des Patienten entsteht, senkt die postoperativen Beschwerden der Patienten und verbessert die Compliance. Unsere aktuellen in vitro-Untersuchun- gen, die unsere Laborleiterin Dr. Mariya Asparuhova zur Adsorption und Freisetzung von Wachstumsfakto- ren auf Kollagenmatrizes durchge- führt hat, zeigen, dass eine neue hydrierte dermale Matrix Wachstums- faktoren über einen Zeitraum von 13 Ta- gen in die Wunde abgibt. Das ist sehr beachtlich. Bei dieser Matrix ist ein früher Burstfreisetzungspeak nach einer Stunde und drei Tagen und im Gegensatz zu anderen ein zusätzlicher Peak an Tag neun beobachtet worden. Das heißt? SCULEAN: Dass diese Matrix in den ersten, kritischen Phasen der Wundhei- lung, das sind stets die ersten zwei Wochen, eine biologische Aktivität ausübt: Die Wachstumsfaktoren werden an Ort und Stelle gehalten bzw. freigesetzt. Die mechanische Stabilität der Matrix zieht Zellen aus der Umgebung praktisch an – die Zellen besiedeln die Matrix. Welche weiteren in-vitro-Studien braucht es? ASPARUHOVA: Wir schließen gerade eine weitere vergleichende Studie ab, die die Auswirkungen verschiedener Kollagenmatrizen auf den osteogenen Prozess untersucht. Es hat sich gezeigt, dass verstärkte Kollagenmatrizen defizitäres alveoläres Knochenvolumen wiederherstellen können. Darüber hinaus haben sich kollagenbasierte Matrizen in Kombination mit Wachs- tumsfaktoren als Behandlungsmodalität für schwere Alveolarkammdefizite und parodontalen Hartgewebsverlust im Allgemeinen herauskristallisiert. Daher ist es wichtig, das Verhalten von Osteoprogenitorzellen, die sich in knochenbildende Zellen differenzieren können, als Reaktion auf die kollagen- basiertenWeichgewebsersatzmaterialien zu untersuchen. Darüber hinaus ist wenig bekannt, wie die Matrizen die Entzündungsreaktion, den Prozess der Angiogenese beeinflussen können. Die Ergebnisse unserer jüngsten Studien lassen uns glauben, dass die Untersuchung Abb. 3 Hydrierte Matrix, NovoMatrix, BioHorizons Camlog Sculean DR. MARIYA B. ASPARUHOVA, PHD Laborleiterin „Orale Zellbiologie“, Klinik für Parodontologie, Universität Bern mariya.asparuhova@zmk.unibe.ch Foto: privat „Eine neue hydrierte dermale Matrix gibt Wachstums- faktoren über einen Zeitraum von 13 Tagen in die Wunde ab.“ Prof. Dr. Anton Sculean

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