Sonderdruck 2010, Nagel F. et al.
Sonderbeilage Implantatprothetik 05/2010 REDAKTION 13 Nutzenabwägung bei sehr komplexen im- plantologischen Fragestellungen ist ge- rechtfertigt (siehe wissenschaftliche Stel- lungnahmen der DGZMK). Für den hier vorgestellten Fall wurde die DVT 8 Wo- chen nach der Extraktionstherapie erstellt. Dieser Zeitraum dient allgemein zum ei- nen, um entzündliche Prozesse zum Ab- klingen zu bringen, und zum anderen, um eine körpereigene Modellierung dünner Knochenkanten, besonders bei parodon- tal vorgeschädigten Fällen, abzuwarten. In dieser Phase wurde die Patientin mit ei- ner Interimsprothese versorgt, die gleich- zeitig einer ästhetischen Überprüfung der Frontzahnsituation diente (Abb. 4). 3D–Simulation und Operations- schablone Die Operationsplanung erfolgt mittels Software verschiedener Anbieter anhand des DVT- oder CT-Datensatzes. Entspre- chend der radiologisch sichtbaren opti- malen Zahnposition, Zahnachse und Zahnbreite wird nun versucht, virtuelle Implantatemaßstabsgerecht in die röntge- nologisch dargestellten Knochenstruktu- ren zu setzen (Abb. 5) . Hierbei können wichtige anatomische Nachbarstrukturen in dreidimensionaler Darstellung in sehr guter Qualität einge- schätzt werden (u. a. Canalis mandibula- ris, Sinus maxillaris, Sinus nasalis, Kno- chenverlauf im Bereich der geplanten Implantatschulter). Während dieser Planung ergeben sichwe- sentliche präoperative Erkenntnisse, wie; a) ist der ortsständige Knochen ausrei- chend oder müssen augmentative Ver- fahren angewandt werden, b) welches Ausmaß würden diese augmentativen Verfahren erfordern (sehr gute Detailpla- nung möglich), c) kann ein Kompromiss zwischen prothetisch optimaler und chi- rurgisch möglicher Positionierung ohne Augmentation sinnvoll eingegangen wer- den, d) wie ist letztendlich das Aufwand- Nutzen-Verhältnis für das eingangs favo- risierte Therapiekonzept einzuschätzen (z. B. festsitzende Versorgung) – wäre ein alternatives Therapiekonzept für den Pa- tienten sinnvoller (z. B. abnehmbare Ver- sorgung). Wichtige Kriterien für eine Therapie sind neben der ausreichenden Knochenhöhe die exakte Ausrichtungsmöglichkeit der Implantate in mesio-distaler Dimension sowie eine sichere Knochen-/Weichteil- bedeckung in oro-vestibulärer Dimen- sion. Die virtuell gesetzten Implantate lie- fern die Daten für eine Operations- schablone mit positionierten Bohrhülsen. Es bestehen prinzipiell zwei Möglichkei- ten der Fertigung dieser Operationsschab- lonen. Zum einen kann anhand der Posi- tionierungsdaten der virtuellen Implantate und der Knochenstrukturen steroelitho- grafisch eine Schablone in derzeit weni- gen Zentren gefertigt werden. Dabei wird aus einem Kunststoffbad mittels LASER- technik eine Schablone gehärtet. Eine zweite Möglichkeit besteht darin, die vor- handene Scanprothese im zahntechni- schen Labor vor Ort durch mechanische Positionierungsgeräte (HEXAPOD) in eine Operationsschablone zu überführen. Im vorliegenden Fall wurde die Scanprothese vor Ort im entsprechend autorisierten La- bor in eine Operationsschablone umgear- beitet. Sind keine Restzähne für eine aus- reichende Abstützung der Schablone vorhanden, ist die Notwendigkeit von temporären Implantaten abzuwägen (Abb. 6 und 7) . Guided surgery – Geführte Chirurgie Mithilfe der in der Operationsschablone enthaltenen exakten Positionierungs- informationen werden alle chirurgischen Maßnahmen von der Schleimhautstan- zung bis zur Insertion des Implantates durchgeführt. Allerdings hat die Schablo- ne einige Nachteile. Wählt man den Zu- gang zur Insertion über die Schleim- hautstanzung (nicht zwingend notwendig – aber wesentlicher Vorteil der Guided surgery), fehlt die Darstellung und damit auch Schonung wichtiger anatomischer Strukturen. Weiterhin ist diese „blinde“ Positionierung der Implantatschulter in Bezug zum Knochenniveau und die Ein- schränkung der Tastwahrnehmung des Operateurs bei der Schaffung des Implan- tatbetts kritisch zu bewerten. Um Abwei- chungen zu minimieren, ist die maximale Lagestabilität der Schablone, wie bereits erwähnt, auf Restzähnen (wenn möglich polygonal) oder im zahnlosen Kiefer auf temporären Implantaten wichtig. Aktuel- le Übersichtsarbeiten, wie die von Jung et al. aus dem Jahr 2009, belegen Abwei- Abb. 4 – Vorschlag zur Frontzahnästhetik für die definitive Versorgung bei Interimsversor- gung Abb. 5 – Ansicht einer Planungssoftware mit maßstabsgerechtem virtuellen Implantat und entsprechender Positionierung (radiologi- scher Datensatz stammt von der DVT) Abb. 6 – Aus der Scanprothese umgearbeitete Operationsschablone mit speziellen Bohrhül- sen, dentale Abstützung auf den Zähnen 13 , 23 und 17 Abb. 7 – Temporäre Implantate bei der Pla- nung eines weiteren Patientenfalls im zahnlo- sen Kiefer zur Verankerung der Scanprothese und Operationsschablone
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