Defektregeneration – ein Casebook

44| Defektregeneration – ein Casebook Multiple Rezessionsdeckung mit einer azellulären dermalen Matrix 1. Mit exponierten Wurzeloberflächen und Zahnhalsfüllungen im zweiten Quadranten stellte sich eine Patientin zur Behandlung vor. Sie gab eine Überempfindlichkeit der Zähne an. Die Deckung der multiplen Gingivarezessionen erfolgte im vorliegenden Fall mit dem modifizierten koronal verschobenen Tunnel und der azellulären dermalen Kollagenmatrix (NovoMatrix). 2. Nach einem leichten Scaling der exponierten Wurzeloberflächen, das dazu diente, den eventuell vorhandenen Biofilm zu entfernen, wurden intrasulkuläre Inzisionen im Rezessionsbereich gesetzt und das ganze bukkale Weichgewebe – die Gingiva und die bewegliche Mukosa – im Sinne eines Mukoperiostlappens mittels speziellen Tunnelierungsinstrumenten gelöst und über die Mukogingivalgrenze hinaus mobilisiert. Aus biologischer und klinischer Sicht ist vor allem die Therapie von multiplen Rezessionen herausfordernd, da es sich hier um sehr breite, nicht durchblutete Oberflächen (Dentin oder Wurzelzement) handelt, an denen die Stabilisierung des Blutkoagulums und der Wunde meist sehr schwierig ist. Der modifizierte koronal verschobene Tunnel (MKVT) stellt eine innovative chirurgische Technik für die Deckung von singulären und multiplen Rezessionen dar [73-75]. Aufgrund der mukoperiostalen Präparation wird dabei die Gefahr einer Lappenperforation oder einer Lappennekrose minimiert, eine Komplikation, die insbesondere an Stellen mit einem sehr dünnen Weichgewebe auftreten kann. Durch den Verzicht auf vertikale Inzisionen und von Inzisionen der Papillen wird eine ausreichende Durchblutung des Mukoperiostlappens gewährleistet. Die koronale, spannungsfreie Verschiebung des Tunnels ermöglicht eine vollständige oder partielle Deckung der Weichgewebetransplantate und verbessert dadurch deren Ernährung und Überlebenschance. Ergebnisse aus klinischen Studien konnten belegen, dass der MKVT vielversprechende Optionen zur Deckung multipler Rezessionen darstellt. Die Entnahme von subepithelialen Bindegewebetransplantaten ist jedoch mit einer erhöhten Patientenmorbidität verbunden. Darüber hinaus ist die Möglichkeit, genügend Gewebe zu entnehmen, infolge anatomischer Faktoren limitiert. In einzelnen Fällen wurden sogar Sensibilitätsstörungen an den Entnahmestellen beschrieben. Um dem Problem der Gewebeentnahme aus dem Gaumen zu entgehen, wurden verschiedene Gewebeersatzmaterialien eingeführt. Vor allem bieten Kollagen-Matrizes klinische Vorteile, da sie Wachstumsfaktoren aus der Wunde aufnehmen und als Reservoir für diese dienen können. Darüber hinaus können sie das Blutkoagulum stabilisieren und quasi als Leitschiene für die Zellen aus der Umgebung der Wunde fungieren [76,28,29,30]. Bei entsprechender Indikation eignen sich Kollagen-Matrizes auch zur Deckung von Rezessionen an Zähnen [77]. Aktuelle Ergebnisse aus in-vitro Studien konnten zeigen, dass eine hydrierte dermale Matrix (NovoMatrix) über einen Zeitraum von 13 Tagen Wachstumsfaktoren an die Wunde abgibt. Darüber hinaus hat diese Matrix einen positiven Effekt auf die Migration und Proliferation von Fibroblasten und Osteoblasten, und beeinflusst dadurch indirekt die Freisetzung von Wachstumsfaktoren aus diesen Zellen. Erste klinische Ergebnisse konnten zeigen, dass die hydrierte Kollagenmatrix nicht nur einen positiven Effekt auf die Wundheilung hat, sondern sich auch klinisch gut anwenden lässt [28–30]. » Die Freilegung der Wurzeloberfläche aufgrund des Rückgangs der Margo Gingivae apikal der Schmelz-Zement-Grenze (SZG) wird als gingivale Rezession definiert. Gingivale Rezessionen können isoliert oder generalisiert altersunabhängig sowohl bei Personen mit guter als auch mit suboptimaler Mundhygiene [71,72], auftreten. Sie können die Mundhygiene erschweren und dadurch parodontale Entzündungen (beispielsweise Gingivitis) oder die Entstehung von Wurzelkaries begünstigen. In vielen Fällen beeinträchtigen Rezessionen das ästhetische Erscheinungsbild und können sogar zu einer erhöhten Zahnhalsüberempfindlichkeit führen. Daher sind die primären Indikationen für die Therapie von gingivalen Rezessionen die Verbesserung der Mundhygienemöglichkeiten und der Ästhetik – in Einzelfällen auch zur Behandlung von Zahnhalsüberempfindlichkeiten. ~ Prof. Dr. Anton Sculean, M.Sc. Indikation: Rezessionsdeckung Produkte: NovoMatrix®

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